OpenCulturas Distribution: Digitale Souveränität für den Kultursektor

Lösungen

Zusammenfassung

OpenCulturas ermöglicht Interessensgruppen im Kulturbereich, ihren Mitgliedern eine professionelle Kulturplattform anzubieten. Und macht Betreiber:innen zu FOSS-Maintainer:innen.

Projektbeschreibung

Mit OpenCulturas wurde eine generische Lösung geschaffen, die einem möglichst breiten Spektrum an Interessensgruppen im Kultursektor eine fertige Plattform für die typischen Anforderungen bietet.

Die Pandemie hatte vielen Akteur:innen im Kultursektor regelrecht die Bühnenbretter unter den Füßen weggezogen. Das folgende Ausweichen auf digitale Repräsentation hat vielerorts ähnliche Ideen hervorgebracht: Kultureinrichtungen, Verbände, Kommunen haben Kataloge hochgezogen, mehr oder weniger erfolgreich. Der Digitalboost geht nicht mehr weg, jetzt ist die Zeit für nachhaltige Lösungen. Und für digitale Lösungen, die Kulturschaffende auch mit geteilter Aufmerksamkeit selbst bedienen können.

OpenCulturas kann als Plattform mit thematischem oder regionalem Bezug betrieben werden, setzt auf User-generated Content mit Freigabeworkflows und berücksichtigt die typischen Anforderungen: Profile von Kulturschaffenden und -orten … Angebote, die auch unabhängig von Terminen auffindbar sind (z. B. Workshops) … einfache (Mehrfach-)Terminpflege, auch für Veranstaltungsreihen … Galerien für Bilder und Videos mit Attribution und Lizenznennung … filterbare Views nebst kontextgefilterten Terminkalendern … eine allen Inhalten gemeinsame Sparten-Taxonomie mit präsentablen Term-Pages … Fördererlogos platzierbar … Barrierefreiheitsfeatures und Trigger-Warnungen. Ein Magazinbereich, Kommentare und Diskussionsforen bieten die Möglichkeit, aus einer Katalog-Site eine lebendige Plattform zu machen.

Projektziele und -ergebnisse

Ausgeschrieben war – technologieoffen – eine Plattform für die Promotion von Kultur im ländlichen Raum, namentlich kulturis.online für die Region Südniedersachsen. Das umfangreiche Anforderungdokument beschrieb den konkreten Einsatzzweck für kulturis, im Ergebnis sollte die Plattform aber als Open-Source-Lösung veröffentlicht werden. Dankenswerterweise hatten wir es mit Kunden zu tun, die das nicht als lästige Auflage verstanden, sondern als gesellschaftliche Aufgabe. Sprich: alle Seiten wollten eine Open-Source-Lösung bauen und verstanden kulturis als einen Anwendungsfall. Deshalb wurde zunächst ganz gezielt ein eigener Name formuliert und die generische Plattform mit einem eigenen Erscheinungsbild entwickelt.

Erst dann wurde die Implementation für https://kulturis.online vorgenommen sowie direkt im Anschluss für einen weiteren Kunden (Landeszentrum Freies Theater Sachsen-Anhalt e. V., kurz LanZe), der während der Entwicklungszeit eine zweisprachige Plattform für Freies Theater in seinem Aktionsgebiet ausgeschrieben hatte, ebenfalls mit geplanter Open-Source-Veröffentlichung des Projektergebnisses. https://www.theatris-lsa.de

Erkenntnisse aus Betatests und dem Betrieb der Plattformen werden in einem “Stakeholder-Meeting” kontinuierlich ausgewertet und in möglichst generische Weiterentwicklungen überführt. Ein weiterer Stakeholder verprobt gerade die Nutzbarkeit für eine Open-Source-Community (ja, auch das ist Teil der kulturellen Landschaft) und spielt Erkenntnisse für den generischen Ansatz zurück.

Des weiteren sind wir auch stolz auf einen inklusiven Ansatz im gesamten Team: Das Thema Barrierefreiheit lief die ganze Zeit mit, von der Recherche existierender Ontologien für barrierefreie Kriterien (online und offline) über die entwicklungsbegleitende Qualitätssicherung mit Screenreader bis hin zu niedrigschwelligen Angeboten für die späteren User, ihre Veranstaltungen, Veranstaltungsorte und Termine mit Barrierefreiheitskriterien zu versehen.

Eat your own dogfood: die Website zur Distribution haben wir natürlich auch auf OpenCulturas aufgesetzt - ohne weitere Anpassungen - und weisen dort auf passende Veranstaltungen hin, stellen die Teammitglieder und deren verschiedene Verflechtungen vor, schreiben im Magazin detaillierte Release-Notes und Handreichungen usw. Irgendwie war schon alles drin, was es dafür brauchte. https://www.openculturas.org

Herausforderungen

— KONZEPTIONELLE HERAUSFORDERUNGEN

Da Kulturschaffende typischerweise in mehreren Projekten tätig sind (z. B. Mitglied in zwei Bands, aber auch Solokünstlerin), war schnell klar, dass User mehrere Profile anlegen können sollen. Dabei sollte aber auch die Möglichkeit bestehen, dass perspektivisch mehrere User gemeinsame Gruppenprofile pflegen können.
Wir haben uns gegen einen User-Entity-basierten Ansatz der Profile entschieden und diese über einen Content-Type erstellt. Das brachte allerdings mit sich, dass vorhandene Lösungen neu gedacht werden mussten, beispielsweise öffentlich sichtbare Flags (“Recommendations”) und Kommentare, die im Namen eines Profils veröffentlicht werden. Dieses Konzept ist aus gängigen Social-Media-Plattformen nicht bekannt; die Vermittlung erforderte sorgfältige Planung bei der UI und wird kontinuierlich auf Basis von User-Feedback verbessert.

— TECHNISCHE HERAUSFORDERUNGEN

Da im Kultursektor typischerweise die finanziellen Mittel knapp sind, war uns ein niedrigschwelliger Einstieg in die Implementation wichtig. OpenCulturas ist im Ergebnis sehr Sitbuilder-freundlich und das Theme erlaubt verschiedene Komplexitätsgrade des Sub-Themings (im Einsteiger-Level genügt das Neusetzen von CSS-Custom-Properties). Für dieses Ziel haben die Developers im Team immer wieder ihre Komfortzone verlassen.

Medienbrowser: User sollten über ihre eigenen Media-Assets hinaus natürlich nicht auf sämtliche Assets Zugriff haben, wohl aber auf jede Menge Bilder, die unter Creative-Commons-Lizenz bereitgestellt wurden. Unter Verwendung des Attributions-Moduls konnten wir hierfür eine Filterung anbieten.

Komplexe Referenzen: Termine (auch wiederkehrende, mehrtägige, optional “Ende offen” etc.) sollten leicht verständlich einpflegbar sein. Um redundante Informationen zu vermeiden, werden wiederverwendbare Veranstaltungsbeschreibungen verwendet. Die einzeln als Seite aufrufbaren Termin-Instanzen von Serienterminen können als einzelne Kalendereinträge exportiert werden. Bezüge zu Veranstaltungsorten und Beteiligten können über Prepopulation gesetzt und überschrieben werden. Gefilterte Kalender werden bei jeder referenzierten Entität ausgespielt. Dieses “big picture” immer im Blick zu halten, war durchaus eine Herausforderung beim kontinuierlichen Ausbau.

Semantische korrekte Überschriften kombiniert mit Details-Containern: wir brauchten mehrere Runden Screenreader-Tests, um die aufklappbaren Seitenbereiche barrierefrei ansteuern zu können.

Noch auf der Roadmap ist eine Verbesserung der Maps-Usability. Ziel ist, “Termine in der Nähe” performant auf einer Karte mit synchroner Ergebnisliste sichtbar zu machen. Die Herausforderung ist hier, auch Termine ohne physischen Ort (Online-Veranstaltungen) in der Gesamtliste zu berücksichtigen.

— ORGANISATORISCHE HERAUSFORDERUNGEN

OpenCulturas wird kontinuierlich weiterentwickelt, wobei auch explizit künftige Site-Owners dazu motiviert werden, die Entwicklung weiterer Features zu finanzieren. Deshalb waren sich auch alle Beteiligten sofort einig, dass es in guter Open-Source-Manier ein Governance-Gremium braucht, damit das letzte Wort nicht “beim Hersteller” liege.

Die Governance für die Weiterentwicklung der Software hat ein eigens hierfür gegründeter gemeinnütziger Verein übernommen: der OpenCulturas e. V.

Community-Beiträge

1. OpenCulturas-Distribution https://www.drupal.org/project/openculturas
2. Swiffy-Slider-Modul https://www.drupal.org/project/swiffy_slider
3. Beiträge u. a. zu Smart Date, Date Augmenter API, Tour UI, References, Custom Language field, Shariff Social Media Buttons, Accessible Autocomplete Element/Widget, Attributions, Views Add Button (Liste der Issue-Credits: https://www.drupal.org/node/3247197/issue-credits)
4. d.o Case Study https://www.drupal.org/case-study/openculturas-arts-culture-distribution
5. Kundenseite erfolgreich zu Contributions + Maintainership motiviert https://www.drupal.org/user/3696364/track

Warum sollte dieses Projekt die Splash Awards gewinnen?

Hier hat der Kunde alles richtig gemacht: Fördermittel für eine Open-Source-Plattform verwendet, generischen Ansatz verfolgt, eigenes Projekt als “erste Ableitung” verstanden, Erkenntnisse zurückgespielt, Issues direkt auf drupal.org geschrieben, Feature-Perfektionismus zurückgestellt, Konzept für Nachhaltigkeit und Governance entwickelt (gemeinnütziger Verein), Werbung für die Lösung gemacht und weitere Interessierte eingeworben. Ein Award würde signalisieren, dass die Community dieses Mindset wertschätzt.